Bericht über die Qualität und Verarbeitungsfähigkeit der Weizen und Roggen aus der Ernte 2023

 

 

Dr. Robert Aberham,

BA of Sc., Sabine Kempf &

BA of Ed., Müllermeisterin Christine Aberham

 

 

 

Labor Aberham  

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Tirolerweg 7

86845 Großaitingen

 

 

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Vorwort:

Da wir im heurigen Jahr wieder sogenannte Blockdiagramme zur Darstellung der Statistiken verwenden, kurz eine Erklärung dieser Diagrammart:

Stellen Sie sich dazu vor, dass Sie die gesamten Ergebnisse in einer Tabelle nach aufsteigendem Messwert des betreffenden Diagramms ordnen. Die Darstellung zeigt das Minimum und das Maximum der gemessenen Werte als Endpunkte einer senkrechten Linie an, ohne die statistischen Ausreißer, die als Punkte dargestellt werden. Das als Block erscheinende Feld wird mit dem 25sten Perzentil als Untergrenze und dem 75sten Perzentil als Obergrenze dargestellt. Das bedeutet, dass bei einer ansteigenden Reihe von Messwerten der niedrigere Wert bei 25% der Proben und der höhere Wert bei 75% der Proben erreicht wird. Der Median stellt die Mitte der Zahlenreihe dar, der Mittelwert den mathematischen Durchschnitt aller durchgeführten Messungen.

Neben den Blockdiagrammen verwenden wir, wenn es der Darstellung des Qualitätsbildes dienlich ist und besonders dann, wenn es darum geht, die erfassten Ergebnisse in Gruppen nach ihrer Verwendbarkeit zu gliedern, auch herkömmliche Diagrammdarstellungen.

Wichtig ist es uns hier klar zu stellen, dass diesem Bericht und dem darin ange-führten Zahlenmaterial Untersuchungen der an das Labor Aberham eingesandten Proben zu Grunde liegen. Die hier aufgeführten statistischen Berechnungen basieren auf Musteranzahlen, aber nicht auf flächenmäßigen oder mit Erträgen gekoppelten Daten.

Die Differenzierung von konventionell hergestelltem Getreide und ökologisch produzierter Ware erfolgt gemäß der Beschriftung der untersuchten Proben durch den Einsender.

 

Die Getreideernte 2023:

Da die Qualität des Getreides sehr weitgehend vom Witterungsverlauf bestimmt wird, werfen wir einen kurzen Rückblick auf diesen. Einem nicht sehr strengen Winter mit teilweise deutlich höheren Niederschlagsmengen folgte ein nasser kühler Frühling, dann ein heißer trockener Frühsommer und eine regenreiche Phase ab Mitte Juli und im August.

Eine, wie man nun sieht, alles andere als optimale Witterung. Die Eiweißmengen liegen mit wenigen Ausnahmen unter den Vorjahresergebnissen; in den Gebieten, die die Ernte vor den lange anhaltenden Regenfällen einbringen konnten, sind die Enzymaktivitäten etwa auf dem Niveau des Vorjahres, ansonsten sind sie deutlich höher und in einem nicht unwesentlichen Teil der Ernte im Auswuchsbereich.

Der Witterungsverlauf führte zu einer breiten Streuung der Erträge und damit oft eng verbundenen Qualitäten, wobei niedrige Erträge oft mit höheren Eiweißwerten einhergehen. Lagen die Erträge im normalen bis guten Bereich, wurden aber häufig niedrigere Eiweiß- und deutlich niedrigere Kleberwerte registriert.

Die durch die Düngeverordnung und die ungünstige Witterung verstärkt sichtbar werdende negative Korrelation von Ertrag und Qualität beeinflusst das Qualitätsbild heuer noch stärker als im letzten Jahr; auch wenn im heurigen Jahr Niederschlags-menge und Trockenheit im Frühsommer und damit in der Wachstums- und Korn-füllungsphase des Getreides die Qualität dominierend formten, wird dieser Effekt von Jahr zu Jahr deutlicher sichtbar.

Da das Erntegeschehen in großen Teilen des Landes durch Regen unterbrochen und stark verzögert wurde, muss der Enzymaktivität viel Achtung zukommen. Die Enzymaktivitäten der Roggen, der Weizen und der Dinkel schwanken je nach Erntezeitpunkt von schwach bis sehr kräftig. Wobei allerdings auch unter den spät geernteten Partien noch teilweise Fallzahlen im guten bis noch brauchbaren Bereich gemessen wurden.

Fusariosen kommen vor, die Toxinbildung war unseren Messungen nach aber sehr gering. Mutterkorn kommt zwar ebenfalls vor, aber nur in geringer Menge und bei wenigen Proben.

Ein zunehmendes Problem stellt die Belastung mit Steinbrand dar. Bei einer wachsenden Zahl von Partien, oft aus ökologischem Anbau, wurde der herings-lakenartige Fremdgeruch festgestellt. Solche Getreidepartien scheiden für den menschlichen Verzehr aus, auch in der Fütterung ist Vorsicht geboten, da dieser unangenehme Geruch auch auf tierische Produkte durchschlagen kann.

Das sich abzeichnende Qualitätsbild der Getreideernte 2023 zeigt sehr starke Qualitätsschwankungen, auch im lokal begrenzten Bereich. Ertrag wie auch Eiweiß-menge schwanken in sehr breiten Grenzen, wobei es aber im Bereich über 13,5% Protein weniger Angebot gibt. Enzymreiche Partien kommen im Unterschied zum Vorjahr häufig vor.

Die Aussagekraft von Durchschnittswerten ist wie jedes Jahr eingeschränkt, die Analytik des individuell vermahlenen Getreides ist heuer umso wichtiger.

Besonders wichtig ist die Teigrheologie. Weizen mit einem Eiweißgehalt im mittleren bis niedrigen Bereich sind oft in den Teigen wenig dehnbar bis kurz. Außerdem reagieren die Teige auf die Ascorbinsäurebehandlung sehr heftig. Eine Überprüfung im Extensogramm und/oder Backversuch ist damit eigentlich unumgänglich, wenn Reklamationen vermieden werden sollen.

Im Unterschied zu den letzten Ernten, die aufgrund der guten bis hohen Kleber-mengen weitgehend problemlos zu verarbeiten waren, ist die heurige Ernte kein „Selbstläufer“, im Gegenteil, Verarbeitungs- und Gärtoleranz sind wesentlich geringer!

Positiv zu vermerken ist aber, dass durch die bessere Enzymaktivität die Schmack-haftigkeit und Frischhaltung der Backwaren verbessert wird, was vom Konsumenten geschätzt werden dürfte.

 

 Die Roggen der Ernte 2023

Wie bei allen Getreidearten aus der heurigen Ernte muss man unterscheiden, ob die Einbringung vor oder nach der lange anhaltenden Regenperiode erfolgen konnte.

Es ergibt sich beim Roggen ein zweigeteiltes Bild: die vor dem Regen eingebrachten Roggen zeigen ähnliche Enzymaktivitäten wie die Vorjahrsernte und sind enzymarm, wohingegen die nach den Regenfällen im Juli und August geernteten Roggen wesentlich enzymreicher sind und zu einem nicht unerheblichen Anteil starke Auswuchssymptome zeigen.

Da die Qualitätsdurchschnitte zwischen konventionell produzierten Roggen und öko-logisch angebauten Roggen keinen signifikanten Unterschied zeigen, haben wir auf diese Unterscheidung verzichtet, stellen Ihnen aber in den folgenden Statistiken die Werte der heurigen Ernte denen der Ernte 2022 gegenüber, um die Unterschiede darzulegen.

Zur Erinnerung: Das Optimum für die Backfähigkeit liegt zwischen 350 und 700 AE bei einer Temperatur von 63°C bis 68°C. Die Fallzahlen sollten sich zwischen 120 und 200 Sekunden bewegen.

Zur Erinnerung: Das Optimum für die Backfähigkeit liegt zwischen 350 und 600 AE bei einer Temperatur von 63°C bis 68°C. Die Fallzahlen sollten sich zwischen 120 und 200 Sekunden bewegen. Dieser Qualitätsanforderung kommen nur ca. 2% der untersuchten Roggen nach. Wie sie dem nachfolgenden Diagramm entnehmen können, liegen 85% der an das Labor Aberham bis zum Berichtszeitpunkt eingesandten Proben (n= 223) über 1000AE und sind daher als sehr enzymarm zu bewerten.

 

Um es noch deutlicher darzustellen, hier ein Diagramm mit der Verteilung der untersuchten Muster nach dem Verkleisterungsmaximum im Amylogramm:

Roggen mit Verkleisterungstemperaturen über 72,5 Grad sind bei der bäckerischen Verarbeitung problematisch und als sehr triebschwach einzustufen, solche Qualitäten werden von Bäckerseite oft als leblos reklamiert, die Frischhaltung der Gebäcke ist vermindert.

 

Vergleicht man das heurige mit dem letzten Erntejahr, so wird deutlich, dass heuer mit der durch Regenfälle unterbrochenen Ernte neben den enzymarmen Roggen auch enzymreiche und teilweise auswuchsgeschädigte Ware zur Verfügung steht.

Auch hier möchte ich die Verteilung der gemessenen Fallzahlen darstellen, um das Qualitätsbild anschaulicher zu machen:

 

Zusammengefasst ist die heurige Roggenernte nach den an das Labor Aberham bis zum Berichtszeitpunkt eingesandten Mustern als im Durchschnitt enzymarm einzustufen, wobei aber bei den spät, also nach der Regenperiode gedroschenen Roggen wesentlich enzymreichere Eigenschaften festgestellt wurden und auch ein nicht unerheblicher Anteil mit Fallzahlen unter 100 Sekunden vorhanden war.

Der Einstellung der Enzymaktivität auf einen der Backfähigkeit zuträglichen Wert kommt damit heuer besondere Bedeutung zu. Müllern heißt immer auch mischen und mit sorgfältig zusammengestellten Partien ist dies heuer im Gegensatz zum Vorjahr, wo praktisch keine Abmischware verfügbar war, vielfach möglich.

Insgesamt gesehen ist die heurige Roggenernte in sich sehr inhomogen und nicht problemlos verarbeitbar, mit müllerischer und bäckerischer Sorgfalt lassen sich heuer allerdings aromatischere, saftigere und länger frischbleibende Backwaren herstellen.

Sinnvoll ist es, über die Roggenmischung dem angestrebten Bereich möglichst nahe zu kommen. Bei Abmischroggen sollten aber extrem enzymreiche Partien etwa unter 75 Sekunden Fallzahl vermieden werden, da diese eine Gleichmäßigkeit der Mischung meist negativ beeinflussen.

Bei enzymarmen Roggen sollte die Ascheamplitude nach oben hin ausgeschöpft werden und feinere Mehle gemahlen werden, bei enzymreichen Roggen sind hingegen hellere Mehle und gröbere Kornstrukturen angebracht.

Die Untergrenze für die Verarbeitung von Roggen wird bei einem Verkleisterungsmaximum von 200 AE bei min. 62°C Verkleisterungstemperatur und mindestens 90 sec Fallzahl erreicht.

 

Die Weizen der Ernte 2023:

Das auffälligste Charakteristikum der heurigen Ernte liegt in der starken Differenzierung der Qualität, insgesamt ist ein etwas geringerer Eiweißgehalt zu verzeichnen.

Nach unseren Untersuchungen sind die auswaschbaren Klebermengen auch bei etwa gleichem Eiweiß deutlich niedriger als im Vorjahr. Auffällig ist zudem die Tendenz zu wenig dehnbaren, kurzen Teigstrukturen.

Die Ursache für die Kleberschwäche vieler Erntepartien könnte im niederschlags-reichen Frühling liegen, der möglicherweise zu einer schwächeren Wurzelbildung der Getreidepflanzen geführt hat. In der nachfolgenden heißen trockenen Kornfüllungs-phase hat dies die Qualitäten beeinträchtigt. Mit Sicherheit ist auch in geringeren Düngergaben aufgrund der Düngeverordnung und der stark gestiegenen Preise für Düngemittel ein Grund für das heurige Qualitätsbild zu suchen.

Ebenfalls im ökologischen Anbau, wo Mineraldünger keine Rolle spielt, sind geringere Protein- und Kleberwerte zu verzeichnen.

Die im folgenden angeführten Tabellen geben die Mittelwerte der an das Labor Aberham eingesandten Weizenmuster wieder, wie bereits angesprochen, ist die Breite der Qualitätsschwankungen hoch, was die statistische Auswertung erschwert und möglicherweise auch verzerrt. Die Statistiken errechnen sich anhand der Musteranzahl, die an das Labor Aberham eingesandt wurde. Der Süden der Bundesrepublik ist hier stärker vertreten. Auch sollte berücksichtigt werden, dass der Anteil angebauter und verarbeiteter B-Weizen hier nur eine geringe Rolle spielt, wohingegen im Norden ein wesentlicher Teil der Weizenmischungen aus B-Weizen besteht. Zudem entspricht der Prozentsatz der untersuchten E-Weizen nicht dem, der in Weizenmischungen zur Anwendung kommt, sondern ist höher.

 

 

Versucht man diese Zahlen mit wenigen Worten zusammenzufassen, so fällt auf, dass der Unterschied in der Backfähigkeit von konventionell erzeugter Ware und von ökologisch produzierter Ware im Durchschnitt deutlich gesunken ist. Insgesamt ist die Verarbeitungsfähigkeit in der Ernte 2023 im Vergleich mit den letzten Jahren schlechter geworden, was sich vor allem in einer geringeren Verarbeitungstoleranz äußert. Der Einstellung der Getreidemischungen, wie auch der Behandlung, kommt damit mehr Bedeutung zu.

Die Basis für gut backfähige Mehle kann nur eine umfangreiche und regelmäßige Analytik bieten. In der folgenden Tabelle sind die teigrheologischen Werte, das Maltosebildungsvermögen und die Backergebnisse in ihrer statistischen Verteilung dargestellt.

Statistik für konventionelle Weizen:

 

Auch im ökologischen Segment sind die Qualitäten schwächer als im Vorjahr, wobei dieser Bereich aber von der überwiegenden Verwendung gut bis sehr gut backfähiger Sorten profitieren kann. Da zusätzlich meist ohne Ascorbinsäure gearbeitet wird, ist zwar auch hier eine Neigung zur Kürze der Teige feststellbar, dies äußert sich allerdings zunächst vor allem in elastischen Teigstrukturen. Mit Nachreifung der Kleber muss dem aber sicher Beachtung geschenkt werden.

Die Teigausbeuten liegen sowohl im konventionellen als auch im ökologischen Bereich wohl etwas unter denen des vorigen Erntejahres.

Unter Berücksichtigung des gesamten Zahlenmaterials sind folgende Verarbeitungs-ratschläge und Behandlungsempfehlungen sinnvoll:

In Bezug auf die Ascorbinsäurebehandlung ist auf eine umfangreiche und ständige Analytik, die heuer besonders die Teigrheologie einbeziehen muss, Wert zu legen, da die Dosierung der Ascorbinsäure nur so richtig erfolgen kann. Wenn Sie auf dieses Behandlungsmittel nicht völlig verzichten wollen, da es die Teige, die heuer zu feuchten Oberflächen neigen, auftrocknet, so sollte die Dosierung zwischen 0,5 bis 1,0g reiner Ascorbinsäure je 100kg Mehl betragen.

Auch bei den Weizen der Ernte 2023 muss man deutlich zwischen vor und nach dem Regen gedroschenen Partien unterscheiden. Hier sind die früh geernteten Weizen eher triebschwach und sollten diesbezüglich behandelt werden. Die nach dem Regen geernteten Weizen sind meist triebstark bis auswuchsgeschädigt.

Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass bei der Gärunterbrechung mit Problemen zu rechnen ist, wenn die Teige vor der Kühlung zu sehr anspringen

Die insgesamt gesunkenen Klebermengen in Verbindung mit den festeren bis kurzen Teigstrukturen führen neben geringeren Backvolumen vor allem zu einer reduzierten Verarbeitungstoleranz der Mehle.

 

Die häufig angesprochene Frage nach dem Einsatz von Trockenkleber wollen wir wie folgt beantworten: die Feuchtklebermenge steigt je 1% Trockenkleberzusatz um ca. 2,5%. Trockenkleber ist aber nur in beschränktem Umfang verfügbar und zudem nicht gerade billig. Es dürfte sich also nur dann rechnen, wenn es um Spezialmehle geht, die unbedingt hohe Klebermengen erfordern, also z.B. für Buns, Fettgebäcke und Weihnachtsstollen. Für das normale Bäckermehl reichen die angebotenen Trockenklebermengen bei weitem nicht aus.

Was aber bei den heurigen Mehlen alternativlos ist, ist die korrekte Einstellung der Ascorbinsäuredosierung und der Triebeigenschaften. Nur wenn Gasbildung und Gashaltevermögen in einem ausgeglichenen Verhältnis stehen, ist mit einwandfreien Backeigenschaften zu rechnen. Lassen Sie ihre Mehle regelmäßig untersuchen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.

 

Die Dinkel der Ernte 2023:

Den folgenden Statistikzahlen liegen etwa 520 Proben zugrunde. Auch beim Dinkel ist die Eiweißmenge und damit verbunden die Klebermenge im Durchschnitt gesunken, die Teigstrukturen sind ohne Ascorbinsäurezusatz teilweise nachlassend, teilweise geschmeidig, aber weniger dehnbar als gewohnt. Auch die Dinkelmehle sprechen heuer auf die Ascorbinsäure kräftiger an als in den letzten Jahren, eine Überprüfung im Extensogramm ist dringend ratsam.

Die Qualitäten von ökologischem und konventionellem Anbau haben sich ebenfalls im Bereich der Dinkel sehr angenähert, so dass auf eine Unterscheidung der beiden Gruppen verzichtet wurde.

Die an das Labor Aberham eingesandten Dinkel zeigen die folgenden statistischen Kennzahlen:

Alle hier genannten Statistiken wurden mit Mustern erstellt, die bis zum 30.August bei uns eingegangen sind und untersucht wurden. Die Autoren möchten betonen, dass die Untersuchungen noch im vollen Gange sind und sich die Proben aus den Spät-druschgebieten noch nicht voll auswirken. Die Werte können sich daher noch in Richtung verstärkter Auswuchsschäden verändern.

Glück zu

Dr. Aberham und sein Team